Lat de blaue Flagg mal weien

Seit Juli 2001 gibt es das Album „Lat de blaue Flagg mal weien“.
Es handelt sich um eine Studioaufnahme mit 17 Liedern, darunter bekannte wie Veermaster und Drunken Sailor, aber auch selten gehörte wie Störtebekerlied, Mingulay Boat Song (mit Dudelsack!) oder der Titel Nr. 15: Rolling Down to Old Maui.

Hörproben

1. Lat de blaue Flagg mal weien
2. Up She Goes
3. Der Käppen, der Stürmann
4. De Amrumer Veermaster
5. Kaperfahrt
6. Seemanns Trinklied
7. Hamburg, du schöne Stadt
8. Störtebekerlied
9. Magelhan
10. Drunken Sailor
11. Farewell and Adieu
12. Shenandoah
13. Mingulay Boat Song
14. Hanging Johnny
15. Rolling Down to Old Maui
16. Leave Her, Johnny
17. Whisky for my Johnny

Erläuterungen

Nr. 01 Titelsong: Lat de blaue Flagg mal weien (1:28)

Die blaue Flagge zeigt an, daß ein Schiff innerhalb der nächsten 24 Stunden auslaufen wird.

Das Lied wurde von den „Grönlandfahrern” der nordfriesischen Inseln gesungen, ist aber auch aus Dithmarschen bekannt. Bis ins letzte Jahrhundert sollen die Insulaner von Amrum, Föhr, Sylt und den Halligen zu dieser Melodie bei Hochzeiten und anderen feierlichen Anlässen gesungen und getanzt haben.

Nr. 02 Up she goes (2:18)

Aus dem Grundkurs „Seemännisches Wissen für Landratten“ weiß man, daß jeder Seemann in jedem Hafen eine Braut hat. Und so endet jeder Hafenaufenthalt mit einem oder mehreren Abschiedsküssen.

Das Lied „Up She Goes“ kann sehr gut als Haul-Shanty benutzt werden: Bei jedem „up“ ziehen die Männer kräftig am Tau. Und der Shantyman denkt sich zur Freude seiner Kollegen in jeder Strophe ein neues Körperteil für den Kuss aus. Anständige Shantychöre singen das Lied nur kurz, der Amrumer Shantychor ist bereits nach 2 Minuten 18 Sekunden fertig!

Nr. 03 Der Käppen, der Stürmann (2:13)

Dies ist die deutsche Version des englisch/amerikanischen Capstan-Shantys „Rio Grande“, gedichtet von Karl Seidelmann und Georg Götsch. Das Lied stammt aus dem „Liederbuch für Schleswig-Holstein“, Schulausgabe.

„Capstan“ ist der englische Ausdruck für Gangspill bzw. Ankerspill. Ob dieses Lied in deutscher Fassung jemals bei der Arbeit auf einem der alten Großsegler erklang, können wir am besten die Lott, Lies und Gretchen fragen (s.3. Strophe).

Nr. 04 De Amrumer Veermaster (4:08)

Wenn es einen Amrumer Veermaster je gegeben hätte – die Überlieferung würde es uns nicht verschweigen. Amrum hat allerdings manchen berühmten Seefahrer hervorgebracht. In der goldenen Zeit des Walfangs fuhr die gesamte männliche Bevölkerung ab 12 Jahren zur See. Viele Amrumer waren erfolgreiche Kapitäne auf den großen Segelschiffen Hamburger und holländischer Reeder.

Der Hamburger Veermaster ist teilweise die plattdeutsche Nachdichtung eines englischen Gangspill-Shantys. Der englische Refrain deutet auf eine Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts während der Goldgräberzeit in Kalifornien hin. In den Strophen werden die menschenunwürdigen Zustände an Bord beim Namen genannt – wir wissen nicht, ob der Dichter hier übertreibt. Sicher ist jedoch: Diese Zustände an Bord des „Veermasters” sind bestimmt nicht von einem Amrumer Kapitän zu verantworten gewesen.

Nr. 05 Kaperfahrt (2:49)

Das waren noch Zeiten, als man echt harte Männer an so einfachen Merkmalen wie der Barttracht ohne Mühe erkennen konnte. Harte Männer brauchte die Kaperfahrt – Beweis: dieses Shanty aus Flandern. Den Text hat Gottfried Wolters übertragen.

Trotz glorreicher Amrumer Vergangenheit bei der sogenannten Grönlandfahrt haben wir die Strophe mit dem Walroß ausgelassen, weil sie politisch (Artenschutz usw.) nicht korrekt ist. Der Alternativvorschlag („Alle, die mit uns das Walroß lieben”) fand übrigens auch keine ungeteilte Zustimmung im Kreise des Shantychors.

Nr. 06 Des Seemanns Trinklied (1:50)

Jede Berufsgruppe dürfte in Deutschland ihr eigenes Trinklied haben. Da kann der Seemann nicht zurückstehen!

Die Erwähnung der durstigen Heizer, die im Kesselraum schwitzen, läßt uns die Enstehung des Textes eher dem Zeitalter der Dampfschiffahrt zuordnen. Besonders die 5. Strophe ist mit Sicherheit spätes 20. Jahrhundert: Sie stammt von Manfred Kaiser, von Anfang an immer dabei beim Amrumer Shantychor!

Nr. 07 Hamburg, du schöne Stadt (2:39)

Hamburg war in der alten Zeit der Großsegler der Welthafen zur Nordsee, und für viele Amrumer Seeleute begann und endete die große Fahrt dort. Im Vergnügungsviertel am Hafen machten die Männer sicherlich auch hin und wieder die Erfahrung, daß trotz Spesen von Vergnügen nicht unbedingt die Rede sein konnte.

Im Shantychor entstand die Idee, mit Rücksicht auf die vielen Hamburger Urlauber statt « Hamburg » den jeweiligen Veranstaltungsort auf der Insel (z.B. « Wittdün ») einzusetzen. Der Gedanke wurde jedoch verworfen : Man soll nichts versprechen, was man nicht halten kann. Amrum ist schließlich nicht gerade bekannt für sein aufregendes Nachtleben.

Der historische Charakter dieses Liedes wird durch die Erwähnung der Währung (« Taler ») deutlich : Heute würde man « Euro » singen.

Nr. 08 Störtebekerlied (2:54)

Als die Likedeeler mit Klaus Störtebeker und Gödeke Michels um das Jahr 1398 in der „Westsee” (heute sagen wir „Nordsee”) auftauchten, machten sie den Seefahrern und besonders den Hamburger Kaufleuten das Leben schwer. In einer Seeschlacht vor Helgoland wurden die Seeräuber besiegt, gefangengenommen und dem Henker von Hamburg überstellt.

Die damaligen Ereignisse sind in einer spätmittelalterlichen Spielmannsdichtung in niederdeutscher Sprache als das „Störtebekerlied” überliefert. Das Lied wird zünftig mit den damaligen Instrumenten wie Trommel, Pfeifen und Dudelsack begleitet.

Nr. 09 Magelhan (3:25)

Das englische Anker-Shanty „Rolling Home“ hat die Melodie geliefert. Den plattdeutschen Text hat der deutsche Matrose Robert Hildebrand um das Jahr 1880 herum geschaffen. Er nimmt die schlimmen Arbeitsbedingungen auf der „Magelhan“ auf´s Korn. Dabei hat er den Nagel offenbar genau auf den Kopf getroffen, denn er wurde mit drei Monaten Heuerentzug bestraft! Daß der Kapitän sauer war, kann man gut verstehen, wenn man die letzte Textzeile hört: „Un achtern suupt se unsen Köm“ – „Achtern“ war nämlich die Schiffsleitung untergebracht.

Anmerkung zur 3. Stropfe: Nachdem uns der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag von der Regierung gestrichen wurde, befürchten wir, daß auch der Karfreitag demnächst wie auf der „Magelhan“ ein ganz normaler Arbeitstag sein wird.

Nr. 10 What shall we Do with a Drunken Sailor? (2:13)

Ob an Bord oder an Land: Der Zustand der Trunkenheit gilt selten als Krankheit, obwohl medizinisch gesehen oft eine schwere Vergiftung vorliegt. Rücksichtsvolle Schonung des Patienten und bei Wiederholung eine Trinkerkur sind unbedingt angezeigt. Entsprechend herzlos kommen einem auch die Behandlungsvorschläge vor, die im Shanty vom „Drunken Sailor“ in vielen Strophen gesammelt sind.

Die Melodie stammt aus dem keltischen Kulturkreis. Bei entsprechendem Tempo kann man dazu einen irischen Reel tanzen oder eben auf einem großen Schiff z.B. Segel hissen. Stan Hugill bezeichnet den Drunken Sailor als „Stamp´n Go Song“. Damit meint er, daß die Männer mit dem Tau in der Hand auf dem Deck entlanglaufen, und nicht wie beim „normalen“ Fall-Shanty in einer Reihe stehen und nach jedem „Pull“ umgreifen müssen.

Nr. 11 Farewell and Adieu (3:23)

Mit diesem englischen Shanty gedachten Seeleute der Royal Navy traditionell der spanischen Mädels, wenn sie zurück nach England segelten. In der dritten Strophe werden die geografischen Orientierungspunkte bei der Fahrt durch die Straße von Dover aufgezählt. Am Schluß trösten sich die Männer beim Leeren voller Gläser statt bei ihren englischen Freundinnen.

Nr. 12 Shenandoah (4:04)

In den alten Zeiten waren Flüsse und Kanäle oft die wichtigsten Verkehrswege für Wirtschaftsgüter und Menschen. Nicht nur in Nordamerika waren die Flußschiffer angesehene und wohlhabende Leute.
Um so weniger kann der Sänger des Liedes verstehen, daß der Indianerhäuptling Shenandoh trotz eines dollarschweren Angebots nicht sein Schwiegervater werden will, sondern seine Tochter (immerhin fast so etwas wie eine Prinzessin) gegen ein Fäßchen Feuerwasser anderweitig vergibt.

Das Lied « Shenandoah » hat vom Süßwasser des Missouri seinen Weg auf die großen Segelschiffe der sieben Meere gemacht, der Häuptling als historische Gestalt lebt im Namen mehrerer Amerikanischer Städte fort, aber was ist aus der Häuptlingstochter geworden?

Nr. 13 Mingulay Boat Song (2:54)

Die Seefahrer von der sturmumtosten schottischen Insel Mingulay sind harte Kerle, die nicht nach Wind und Wetter fragen. Doch wenn der Dudelsack ihr Lied spielt, erwacht die Sehnsucht nach der Heimat. Sie stellen sich dann vor, daß die Frauen an der Mole sitzen, hinaus auf das Meer schauen und nur auf den Einen warten … (Erläuterung: Der Dudelsack ist das Schifferklavier der dortigen Bevölkerung)

Nr. 14 Hanging Johnny (3:22)

„Hanging Johnny“ ist ein beliebtes Halliard-Shanty im beschwingten 6/8-Takt, jeweils am Ende des Kehrreims wird gemeinschaftlich am Seil gezogen. Mit derbem schwarzen Humor spielt der Vorsänger offensichtlich immer wieder auf den Strick des Henkers an. In zahlreichen Strophen wird die gesamte Familie bis zur Großmutter aufgehängt, und man kann sich denken, daß auch unbeliebte Mitglieder der Schiffsleitung für weitere Strophen herhalten müssen.

Nr. 15 Rolling Down to Old Maui (3:26)

Dieses Lied wurde von den Walfängern des Nordpazifik gesungen. Zum „Überwintern“ ging es zur Hawaii-Insel „Mowhee“, wo es alles gab, wovon Seeleute träumen. Stan Hugill, anerkannter Shantyexperte, berichtet: „Die sogenannten „Schiffsmädchen“, eingeborene Frauen, pflegten der einlaufenden Walflotte entgegenzuschwimmen, obwohl es Frauen verboten war, ein Schiff zu betreten. Sie kletterten behende an den Püttings und am Wasserstag hoch, und im Nu kam es auf jedem Schiff zu wilden Zechgelagen und Orgien….“ In der letzten Strophe begegnen uns Begriffe wie „Kanakas“ und Alohaoe“, die wir aus anderen Liedern schon kennen. Das „Rolling Down“ im Refrain entspricht unserem „Rolling home“.

Nr. 16 Leave Her, Johnny, Leave Her (5:16)

Dieses als „Auszahlungsshanty“ bekannte englisch/amerikanische Lied wurde am Ende einer Reise gesungen, beim Warpen (=Verholen) des Schiffs am Gangspill oder beim letzten Bemannen der Lenzpumpen, bevor die Mannschaft ausgezahlt wurde.

Nr. 17 Whisky for my Johnny (3:28)

Whisky for my Johnny ist ein urtümliches Shanty, das je nach Bedarf bei den verschiedensten Arbeiten gesungen wurde. Stan Hugill wundert sich: „Warum ein Lied über Whisky bei rumdurchtränkten Seeleuten so beliebt wurde, ist schwer zu erklären.“ Wir haben eine Erklärung: Das Wort „Whisky“ paßt bestens in das Versmaß des Kehrreims, und es reimt sich auch etwas auf „Johnny“.

Insgesamt sind über 20 Strophen überliefert. Der Amrumer Shantychor singt dieses Shanty oft am Ende eines Konzertes, um die einzelnen Vorsänger noch einmal vorzustellen.